Fachartikel Teil 3:
Prozesskostenrechnung, prozessorientierte Kalkulation (Prozesskostenkalkulation) und Komplexität
Ermittlung
der Selbstkosten mit der "Prozessorientierten Kalkulation" (POK)
Heute berichte ich, ergänzend zur Ermittlung der Herstellkosten, über die Ermittlung der
Selbstkosten eines Unternehmens mit der prozessorientierten
Kalkulation (POK) und Prozesskostenrechnung (PKR).
Im ersten Teil meines Berichtes stellte ich 2 Projekte (A und B) vor,
bei denen durch die Anwendung der PKR und POK, konkreten Maßnahmen zur Komplexitätsreduzierung und
Prozessoptimierung möglich waren.
Im zweiten Teil meines Berichtes stellte ich Details bei der Ermittlung der
Produkt-Herstellkosten durch die Anwendung der POK und PKR im Vergleich zur
Zuschlagskalkulation, die heute noch vielfach Standard ist, vor.
Selbstkosten eines Unternehmens:
Mit Selbstkosten sind die gesamten Kosten eines Unternehmens gemeint.
Dazu gehören z.B. die Herstellkosten der Produkte (Kostenträger),
die Forschung und Produktentwicklung, Marketing, Vertrieb, Verwaltung des Unternehmens, usw.
Die Ermittlung der Selbstkosten mit der prozessorientierten
Kalkulation (POK) und der Prozesskostenrechnung (PKR) war in den
Projekten immer spannend.
Ziel war es dabei, die Deckungsbeiträge nach Produkten und Produktfamilien,
Kunden und Kundengruppen, Absatzwegen usw. zu ermitteln und unter Berücksichtigung
der erzielten Preise eine Ergebnisbetrachtung für die zuvor genannten Gruppen zu ermöglichen.
Darauf aufbauend sind dann auch Komplexitätsanalysen möglich.
Alle Kosten oberhalb der Herstellkosten werden in der
traditionellen Zuschlagskalkulation mit einem Prozentsatz auf die Herstellkosten zugerechnet.
Für die prozessorientierte Kalkulation (POK) werden - wie innerhalb der Herstellkosten – mit
der PKR Hauptprozesse identifiziert und die lmn-/lmi-Kosten ermittelt,
aus denen dann Zuschlagssätze und Prozesskostensätze errechnet werden.
Diese stehen dann zum Ermitteln der Selbstkosten für die POK zur Verfügung.
Nachfolgend stelle ich Ihnen die Kosten-/Gemeinkostenblöcke oberhalb der Herstellkosten vor
und erläutere die Verarbeitung in der prozessorientierten Kalkulation (POK).
1. Herstellkosten der Produkte (Kostenträger):
Hierüber berichtete ich bereits im zweiten Teil meines Berichtes und stellte die Unterschiede
zwischen einer prozessorientierten Kalkulation (POK) und der traditionellen Zuschlagskalkulation,
die heute noch überwiegend angewendet wird, vor.
Dies ist Voraussetzung zum Verständnis der nachfolgenden Ausführungen.
2. Entwicklungs-Gemeinkosten (EGK):
Die EGK fallen im wesentlichen zeitlich versetzt, ca. 1-3 Jahre vor Produktionsbeginn, an.
Somit sind sie den zur Zeit produzierten Produkten nicht direkt zuordenbar und sie sind einmalig.
In der Praxis ist es so, dass die heute produzierten Produkte die Entwicklungskosten der Produkte von
„morgen“ mit abdecken müssen.
Die Entwicklungskosten sind lmn-Kosten (leistungsmengenneutral).
Die Zuordnung zu den Herstellkosten erfolgt deshalb mit einem prozentualen Zuschlagssatz.
Dieser kann, je nach Branche, zwischen 5 und 15% liegen.
Sofern möglich werden auch unterschiedliche Zuschlagssätze für Produktfamilien gebildet.
3. Forschung, Marketing, Verwaltung des Unternehmens:
Diese Gemeinkosten sind in der Regel ebenfalls, wie die
Entwicklungskosten, lmn-Kosten (leistungsmengenneutral).
Die Zuordnung zu den Herstellkosten erfolgt deshalb mit
prozentualen Zuschlagssätzen. Auch hier wird in der Regel nach
Produktfamilien
differenziert.
5. Vertriebsgemeinkosten:
Im Vertrieb dagegen finden wir leistungsmengeninduzierte (lmi) Kosten/Tätigkeiten vor.
Dies sind z.B. Aufträge erfassen, Lieferscheine und Rechnungen erstellen,
Auslagerung aus dem Verkaufslager, verpacken und versenden, Zahlungseingänge prüfen/buchen.
Dagegen gehören Kosten zur Kundenaquisition/-betreuung und Verwaltung überwiegend zu den
leistungsmengenneutralen (lmn) Kosten.
Für die lmn-Kosten wird ein prozentualer Zuschlagssatz auf die Herstellkosten gebildet.
Auch hier können nach Produktfamilien unterschiedliche Zuschlagssätze vorkommen.
Für die lmi-Kosten muss der Kostentreiber identifiziert werden.
Ist es der Lieferschein, die Rechnung, die Auslagerung oder ?
Da die Kundenrechnung meistens mehrere Positionen mit unterschiedlichen Produkten
enthalten und eine Kundenrechnung auch mehrere Lieferscheine zur Grundlage haben kann,
scheidet diese als Kostentreiber aus.
In der Regel haben wir in unseren Projekten die Lieferscheinposition mit der Liefermenge,
als Grundlage zur Ermittlung der Vertriebsprozesskosten, herangezogen
und dafür einen Prozesskostensatz gebildet, mit dem wir in der POK dann die
Herstellkosten mit den Vertriebskosten beaufschlagt haben.
6. Vorgehen zur Ermittlung der Selbstkosten:
Aus dem zuvor genannten wird deutlich, dass bei der Ermittlung der Selbstkosten der Produkte,
mit der prozessorientierten Kalkulation, die Kosten für Forschung, Entwicklung, Marketing
und Verwaltung, mit Zuschlagssätzen auf die Herstellkosten ermittelt wurden.
Dabei gibt es beim Vorgehen keine wesentliche Abweichung zur traditionellen
Zuschlagskalkulation.
Die lmn-Kosten (leistungsmengenneutral) des Vertriebes wurden ebenfalls mit einem Zuschlagssatz
auf die Herstellkosten ermittelt.
Die lmi-Kosten (leitungsmengeninduziert) des Vertriebes
wurden mit dem Vertriebsprozesskostensatz, unter
Berücksichtigung der
Liefermenge, den Herstellkosten des Produktes
hinzugerechnet.
In der Praxis haben wir dann jede Lieferscheinposition mit Selbstkosten bewertet und zusätzlich
den erzielten Kunden-Preis hinzugefügt.
Dies führte dann in den Projekten teilweise zu 0,5 Millionen bewerteten Lieferscheinpositionen/Jahr
und das mit allen Kostenelementen der Herstellkosten und Selbstkosten sowie Prozessinformationen aus der
prozessorientierten Kalkulation.
Mit dieser Datenbasis konnten wir dann z. B. die Prozessinanspruchnahme über das ganze Unternehmen,
je Kunde, Kundengruppe, Absatzweg, Produkt, Produktfamilie usw. analysieren.
Da der Kunden-Preis je Lieferposition ebenfalls hinzugefügt wurde, kann auch das Ergebnis auf
Lieferscheinposition-Ebene dargestellt werden.
Welche interessanten Analysen und Ergebnisse daraus möglich sind, werde ich im
nächsten Artikel darstellen.
Zusammenfassung:
Durch die prozessorientierte Kalkulation werden die
Gemeinkosten (Prozesskosten) nach der Inanspruchnahme von Prozessen
verursachungsgerecht - unabhängig von der Höhe der
Einzelkosten – zugeordnet.
Dies ist nicht nur bei der Ermittlung der Herstellkosten
sondern auch bei der Ermittlung der Selbstkosten
möglich.
Die Kosten für die Abwicklung der Kundenlieferung, manchmal
betrug die Liefermenge nur 1 oder 2 Stück, werden dabei verursachungsgerechter und
bei niedrigen Lieferstückzahlen deutlich höher, als bei der
traditionellen Zuschlagskalkulation zugerechnet. Dies ermöglicht eine neue
Sichtweise auf die Wirtschaftlichkeit (Deckungsbeiträge) unserer Produkte und
Kunden.
Hermann Schlichting